Besuch bei Rübezahl
Besuch bei Rübezahl
Bevor das Wintergeraffel komplett im Keller verstaut wird, sollen die Tourer noch einmal ordentlich strapaziert werden. Nachdem wir uns am Erzgebirgskamm vom nahenden Frühling überzeugt hatten sollte die letzte Tour ins Riesengebirge führen. Karten wurden gewälzt, Tourenberichte
gelesen und Augenzeugen befragt. Und schon stand der Kombinationswagen auf dem Großparkplatz in Harrachov. Das Mumeltal sollte uns auf den Riesengebirgskamm führen und die Martinova Bouda unser erstes Ziel sein.

Der Winter hatte hier mit fast 2m Schnee noch klar die Oberhand. Das Wetter war zwar grau doch mit 5cm Neuschnee und guter Sicht
waren die ersten Meter schnell absolviert und der erste Stich ins Gelände erreicht. Hier zeigte sich das Krkonose auch gleich von seiner
technisch schwierigen Seite. Steil hinauf in zum Glück hart gefrorenem Tiefschnee zog der Weg zum Teil durchs freie Gelände. Heimtückisch waren die 1m tiefen Fußlöcher welche gleich erst mal mein Stock und dann das Knie zum Opfer fielen. Beiden konnten die Reise fortsetzen. Vor der Labska Bouda erreichten wir dann wieder gespuhrtes Gelände und die angekündigte Schlechtwetterfront die Kammregion. Nun ging es bei mäßiger Sicht und einsetzendem Schneefall am imposanten Betonbau über den Elbfällen vorüber.

Der Wind hatte nun zum teil meterhohe Wächten und Wehen aufgetürmt die es zu überwinden galt. Doch die Wegausschilderung mit Stange und Buchstabe mit Pfeil war vorbildlich. Kurz vor der Martinova mußten an steilen Hangquerungen das technische Abfahrtskönnen unter Beweis gestellt werden.
Viel zu früh erreichten wir die Baude und beschlossen spontan uns noch weiter bis zum Spindlerpass durchzuschlagen. Der Schneefall ging zum Teil in tieferen Lagen in Regen über, die Sicht war aber weiterhin ok, Erst als wir wieder am Kamm waren und auf zwei Tourende Alemannen trafen wurde der Nebel dichter. Jene wollten noch weiter bis Wiesenbaude aber nicht ohne uns noch mit dem hilfreichen Tipp zu versorgen nicht der Spindlerbaude anheim zu fallen und eher die Erlbachova Boude vorzuziehen, Letztere ist zwar auch ein Hotel, wie fast alles am Spindlerpass, wartet aber mit einer etwas günstigeren aber liebevoll sanierten Dependence, der Josefova Bouda auf. Gebucht, bezogen, geduscht ging es ins angeschlossene Restaurant um böhmischer Koch- und Brauerzeugnisse zu dezimieren.

Mit einem ausgezeichnetem Frühstück (ausser dem typischem Krümelkaffe) und gefrierendem Nieselregen startete der neue Tag.
Euphorisch ob unseres Tempos beschlossen wir heut hinab zur Weißen Elbbaude, das Tal der weißen Elbe hinauf zur Wiesenbaude,
mal gucken ob Wetter für Snezka und zurück über Kamm und Spindlerpass zur Martinova. Karte und Navi waren sich einig und zeigten den Weg erst einmal steil hinab direkt vom Skiraum aus. Kurz mußte die von 2m Schneewänden flankierte Paßstraße gequert werden bevor es im freien Gelände den Hang hinab ging. Wird schon stimmen. Meine stahlkantenfreien Ski und ich machen hier keine gute Figur. Nach einem schönen Ziehweg und einem steilen Pfad erreichen wir die Baude. Nicht ohne vorher noch mal ordentlich zu kacheln und einen der Stöcke zu verbiegen. Jener ließ sich aber wieder in Form bringen und es ging weiter. Der folgende Wegabschnitt gilt in unseren Karten als Lawinen gefährdetes Gebiet, kurz halten wir inne und schätzen mit unseren Möglichkeiten das Risiko ab. Einsetzender Wind und leichter Schneegriesel sind zwar nicht optimal aber die ca.2m Schnee liegen kompakt durchgefrohren und stabil am Hang. Also los.
Bald wird die Hangneigung größer 45° und es wird schwierig den Hangstock sauber zu führen und mit den Kanten genug Halt zu erzeugen um nicht in die Elbe zu purzeln. Teils versperren Schnneeüberhänge den weiteren Weg auf einer Talseite. Elbqueren ist angesagt. Teil ist es schwierig geeignete Stellen zu finden, teils ist der Bach meterdick zugeschneit. Immer weiter winden wir uns das Tal hinauf. Weniger die Höhenmeter als das Wegsuchen und In-den Hang-Lauschen machen uns zu Schaffen. Zum Glück haben wir einen Hauch von einer Tourengeherspur vor uns. Wo der wohl hinwollte? Mit jedem Höhenmeter wurde die Sicht schlechter und der Wind kräftiger. Zu allem Überfluß verlor sich die Spur an der falschen Hangseite und hinter einem Pumpenhäuschen an einem der Elbarme schien auch der Weg ein Ende zu haben. Die einzigen Lösung war das Tal an einer flachen stelle zu verlassen und über die freien Hochwiesen zur Wiesenbaude weiterzugehen. Aus dem Tal heraus gab Rübezahl alles was er in Petto hat und nahm uns vollends die Sicht und meinte Orkanböen könnten wir gut brauchen.

Doch satellitengestützte Navigation wies uns sicher den Weg. Und dann tauchte sie langsam als schwarzer Schatten im Weiß des Nebels auf -die Wiesenbaude. Eine riesige Hütte, bis unters Dach mit Schnee eingeweht. Wir hatten keine Ahnung wo es in diese Arktisstation hineinging, so umrundeten wir einmal das Gebäude. Als wir dann die rettenden Pforte erreichten schienen gerade die gestrandeten Ausflügler mit der Schneeraupe evakuiert zu werden.
Wir wollten erst mal einen heißen Kakao bzw. ein kühles Bier und kurz die Klamotten trocken legen. Die Wiesenbaude wartet mit gewaltigen Dimensionen auf wenn man mehrere Windfänge passiert hat betritt man ein riesiges Entree. Und das Restaurant könnte ganze Busladungen problemlos beköstigen. Nachdem wir die Becher geleert und die Kleidung den arktischen Bedingungen angepaßt hatten, ging es wieder hinaus in die Eiswüste.

Und jetzt gab es richtig in die Fresse. Der Rückweg führte stets schräg gegen den -5° kalten Sturm. Eisattacken und kaum Halt auf der Piste ließen uns um jeden Meter kämpfen. Doch für Nachmittag war Wetterbesserung prognostiziert. Und tatsächlich. Immer wieder wanderten grell weiße Flecken an uns vorbei, mal über uns hinweg und gaben den Blick zu Sonne frei. kurz vor dem Spindlerpass konnte man sogar bis weit in die polnische Tiefeben schauen.

Der Weg war nun stets eisig und fast unfahrbar. Schon in geringsten Abfahrten war es kaum möglich zu bremsen und so waren wir gezwungen viele Meter zu Fuß zurückzulegen. Die Felsen die Hier im Kammgebiet immer wieder zu finden sind waren freigeweht und wechselten mit vereisten Tragepassagen. Froh waren wir als es wieder talwärts zur Martinova abging und nach 7h das Tagesziel erreicht war.
Ein gar kuscheliges Zimmer wurde uns zur Nutzung überlassen, so geräumig wie ein Zweimannzelt und mit abmontierten aber voll geöffneten Heizungsthermostaten. Es müssen so um die 30° Celsius bei 5% Luftfeuchte gewesen sein. Doch gegen den Durst gab ein hübsches Gaststüblein dessen Wandgestaltung vom üppigen Wildtierbestand der Region und deren Dezimierung zeugte. Als einzige Gäste wurde uns jeder Wunsch von den Lippen gelesen und der Füllstand der Gläser stets hoch gehalten.

Der nächste Tag begann wie der zuvor mit Nieselregen bei 0°C. Wenn die Regenjacken nicht farbig gewesen wären hätte uns ein weiterer Tag in Schwarz-Weiß erwartet. Mühsam ging es auf bekanntem Weg auf eisig steilem Hang zurück zur Labska Bouda. Abfahrten waren gewohnt
Grenzwertig und steile Anstiege mussten getragen werden. Erst nach dem langen Kampf im Wind zur Wosecka Bouda und so um die 900m wurde der Schnee langsam so weich das entspanntes Abfahren möglich war.

So waren wir auch wieder viel zu schnell im Mumeltal zurück nach Harrachov. Das Wetter bot aber auch keine weiteren Schlenker und somit waren wir nach drei Tagen schon wieder zurück am Auto. Da der Großparkplatz mittlerweile geschlossen war und wir so quasi um die Ausfahrtsschranke und ums bezahlen kamen, konnte das Erspahrte in den Konsum getragen werden. Alles in Allem ein gelungener Saisonabschluß und bei schönem Wetter kann das ja jeder.
Samstag, 10. März 2012